Wer nur kurz in Kiew ist, könnte meinen, der Krieg sei vorbei. Vor den Ministerien stehen improvisierte Betonmauern, Denkmäler sind mit Sandsäcken geschützt. Russisches Artilleriefeuer ist seit Wochen nicht mehr zu hören. Wie präsent der Krieg dennoch ist, merkt man im Gespräch. Jeder hier kennt jemanden, der an der Front kämpft oder gefallen ist. Aber darüber sprechen die Ukrainer eher leise. Sie müssten sich ja verteidigen, sagen sie. Diese ernste, fokussierte Stimmung versteht man nur hier, vor Ort. Ich konnte mit einem ARD-Team Kiew und die Umgegend bereisen. Die Menschen sind froh, dass wir ihr Schicksal darstellen. Das gilt für den Leiter des Labors beim ehemaligen AKW Tschernobyl, das von den Besatzern verwüstet wurde. Das gilt auch für die Starsängerin der Kiewer Oper, die endlich wieder vor heimischem Publikum auftreten kann. Die Gespräche sind oft nicht leicht. Was sagt man der weinenden jungen Frau, deren beide Brüder von den Besatzern hingerichtet wurden? Es gibt keinen Trost für ihren Verlust, für ihre grenzenlose Trauer.
„Die Vor-Ort-Berichte erfordern einen hohen
Sicherheitsaufwand und seelisches Gleichgewicht.“
Sicherheitsaufwand und seelisches Gleichgewicht.“
Hinter der journalistischen Arbeit in der Ukraine steht ein erheblicher organisatorischer Aufwand. Alle Beteiligten haben ständig Schutzweste, Helm und Erste-Hilfe-Set griffbereit. Das Team wird permanent von zwei Sicherheitsexperten begleitet. In Kiew stehen zwei VW-Busse mit Fahrern bereit. Die größte logistische Herausforderung ist – Stand Ende Mai – die Beschaffung von Kraftstoff für die Busse. Er wird von der Armee gebraucht und ist deshalb knapp. Nach jeder Reise machen sich die beiden Fahrer auf den Weg, um an der einen oder anderen Tankstelle mal zehn, mal 20 Liter zu ergattern. Erst dann kann die nächste Fahrt und damit die Vor-Ort-Recherche starten.