Podcast-ReiheDie Kunstretter

In einem Krieg rettest du das, was dir wirklich wichtig ist: dein Leben, deine Familie, dein Hab und Gut. Ein Podcast von Elena Gorgis und Deutschlandfunk Kultur erzählt die Geschichte von Frauen und Männern, die für die Kunstschätze ihres Landes sehr viel riskieren − weil sie Teil ihrer Identität sind.

VON EBERHARD SCHADE, REDAKTEUR HINTERGRUND KULTUR UND POLITIK, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR |
Die Illustration zeigt drei Männer, die ein Gemälde tragen.
Die Kunstretter (Deutschlandradio)
Elena stutzt. Als im Frühjahr 2022 überall in den Nachrichten von Panzerkolonnen die Rede ist, die auf Kiew zurollen, bleibt unsere Reporterin ausgerechnet an einer Meldung hängen, die davon berichtet, dass bei den Angriffen durch die russische Armee das Museum in der Kleinstadt Iwankiw zerstört worden ist. Warum beschießt die russische Armee ein Museum? War das Zufall, ein sogenannter Kollateralschaden? Oder vielleicht sogar Absicht? Was war in dem Museum? Und: Warum wühlt Elena diese Meldung so auf?
Normalerweise rufst du als Reporterin vor Ort an oder fährst hin. Im März 2022 aber wird die gesamte Ukraine angegriffen. Elena spricht kein Ukrainisch, deshalb sucht sie sich einen Verbündeten: Ivan Gayvanovych, der schon zu Beginn des Krieges für den Deutschlandfunk aus der Ukraine berichtet. Er fährt für Elena in die anderthalb Stunden von Kiew entfernt gelegene Kleinstadt und trifft dort einen Museumswärter und dessen Frau. Die wollen beide zwar keine Helden sein, für die Macher des Podcasts "Die Kunstretter" sind sie es aber längst. Denn sie retten am 26. Februar 2022 insgesamt 14 Gemälde einer der bekanntesten und verehrtesten Künstlerinnen der Ukraine aus den Flammen des Museums.
Anatolij, der Museumswärter, ist ein wortkarger Mann und Ivan, der Reporter, hat nicht viel Zeit. Elena muss also um gutes Material von vor Ort ringen, führt aber von Berlin aus längst Interviews mit Mitgliedern eines internationalen Netzwerkes von Kunstrettern, das seit Kriegsbeginn aktiv ist, das Kunst evakuiert, digitalisiert und auf geheimen Routen außer Landes schafft. Weil sie Teil der ukrainischen Identität ist. Und Russland offenbar auch diese gezielt vernichten will.
Vieles an der Recherche erinnert Elena an den Film „The Monuments Men“ von George Clooney, der die Geschichte von Frauen und Männern aus den Reihen der Alliierten erzählt, die Kunst vor den Nazis und der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg retten. Denn, so schreibt es auch Salman Rushdie in seinem jüngsten Buch: „Kunst ist die Essenz unserer Menschlichkeit. Sie akzeptiert Streit, Kritik, sogar Ablehnung − aber keine Gewalt. Und am Ende überdauert sie jene, die sie unterdrücken.“
Zerstört Russland die Kunst in der  Ukraine absichtlich und warum ist Kunst für uns Menschen so wichtig?

Warum ist Kunst für uns so wichtig?

Zerstört Russland die Kunst in der Ukraine absichtlich und warum ist Kunst für uns Menschen so wichtig? Das sind die beiden großenFragen, für die der Podcast „Die Kunstretter“ in den folgenden Monaten der Recherche Antworten finden muss. Angetrieben wird Elenadabei auch durch die Geschichte ihrer Urgroßeltern. Die sind beim Genozid an den Aramäern im Osmanischen Reich umgebracht worden. Ihre Familie hat also erlebt, was es heißt, wenn viele Traditionen und Kulturschätze unwieder-bringlich verloren gehen.
19 Monate später, Oktober 2024. Es ist immer noch Krieg, der Podcast ist produziert. Eine Folge dokumentiert einen der größten Kunstraube nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine andere die lange Reise von 74 Bildern aus Odessa bis in die Berliner Gemäldegalerie. Und wieder eine andere beantwortet die Frage: Was macht man eigent-lich mit einem leeren Museum?
Im Frühjahr 2024 hält Elena nichts mehr an ihrem Schreibtisch in Berlin. Sie fährt selbst in die Ukraine und trifft in Kiew Iryna, eine Rentnerin, die aus drei versteckten Garagen heraus Hilfsgüter für die Museen über die gesamte Ukraine verteilt. Sie steigt hinab in Keller-räume voller Kunst, von denen im Podcast zwar nicht verraten wird, wo sie sich befinden, die sie jetzt aber selbst so beschreiben kann, dass die Hörerinnen und Hörer eine Gänsehaut bekommen. Und ja: Antworten auf die beiden großen Fragen bekommen sie auch.