Gastbeitrag von Bartosz T. WielińskiÖffentlich-rechtlicher Rundfunk in Polen

Weniger als ein Jahr nach dem Machtwechsel in Polen gibt es in den öffentlich-rechtlichen Medien keine Parteipropaganda mehr, sondern nur noch journalistisch „klares Wasser“. Aber die Rückkehr zu einer demokratischen Medienlandschaft birgt auch neue Herausforderungen.

Bartosz T. Wieliński ist stellvertretender Chefredakteur der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.
Bartosz T. Wieliński ist stellvertretender Chefredakteur der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. (© GW STU AJ / Agata Jakubowska / Agencja Gazeta)
Bis Oktober 2023 verbreiteten die öffentlich-rechtliche Telewizja Polska (TVP) und der Polnische Rundfunk Propaganda in Reinstform. Damals war der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Gange. Die autoritäre PiS-Partei warf alles in die Waage, um zum dritten Mal die Wahlen zu gewinnen und ihre Herrschaft über das Land zu festigen. Es gab kein Ministerium, keine staatliche Einrichtung, kein staatliches Unternehmen, das nicht die Errungenschaften der Regierung anpries.
Seit dem ersten Monat ihrer Regierungszeit hatte die PiS das öffentlich-rechtliche Fernsehen unter ihrer Kontrolle. Mehrere hundert Journalisten waren entlassen oder zum Rücktritt gezwungen worden, an ihrer Stelle hatte die PiS ab Dezember 2015 loyale Parteigenossen installiert. Und der Zirkus begann: Acht Jahre lang bewarfen die öffentlich-rechtlichen Medien Oppositionspolitiker, Künstler, Wissenschaftler und Journalisten, die die PiS kritisierten, schamlos mit Dreck. Und vor einem Jahr sah es so aus, als würde sich auch nichts ändern, selbst wenn die PiS-Partei die Wahlen verlieren würde. Das Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Medien wurde so gestaltet, dass ein Wechsel der Behörden die Zustimmung des sogenannten Nationalen Medienrats erforderte, in dem die PiS die Mehrheit hatte. Der Plan der PiS war, dass eine neue Regierung ohne PiS ständig von der TV-Propaganda angegriffen werden würde. Trotz aller Bemühungen und Tricks verlor die PiS im Oktober 2023 die Wahlen zur Nationalversammlung. Dann ging es ganz schnell: Am 20. Dezember 2023 wurde das TVP-Signal unerwartet abgeschaltet. Die neue Regierung nutzte Gesetzeslücken, um den PiS-dominierten Medienrat zu umgehen, indem sie TVP in Liquidation versetzte und die Leitung des Senders wechselte.
Zu Beginn verliefen die Veränderungen zögerlich. Von der PiS angestellte Propagandisten wurden entlassen, einige der 2015 entlassenen Mitarbeiter kehrten zurück, und es wurden auch neue Leute eingestellt. Doch die Einarbeitung neuer Mitarbeiter braucht Zeit. Die TVP-Sendungen nach dem Sturz der PiS-Regierung sahen daher weniger professionell aus als zuvor.
Die neuen Macher des Nachrichten-Flaggschiffs „19.30“ versprachen den Zuschauern, ihnen „klares Wasser“ zu liefern, völlig objektive Informationen ohne Parteifärbung oder parteiische Kommentare. Mittlerweile haben wir zwei Wahlkämpfe nach dem Wechsel bei TVP hinter uns: Kommunal- und Europawahlen. Entgegen einer Parteilogik bekämpfte der öffentlich-rechtliche Rundfunk dabei keineswegs die PiS-Partei. Politiker dieser Partei wurden regelmäßig ins Studio eingeladen und um Kommentare gebeten. Anfangs boykottierten sie TVP jedoch. Die Nachrichtensendungen sind ein bisschen langweiliger geworden, die Moderatoren sprechen langsamer, verwenden eine einfachere Sprache, um so möglichst viele Zuschauer anzusprechen. Denn die Welt, die in den öffentlich-rechtlichen Medien gezeigt wird, ist nicht mehr schwarz-weiß auf der Basis von gutem Recht und Gerechtigkeit, böser Opposition und Europäischer Union. Für viele Zuschauer war das ein Schock. Die neue TVP hat viele Zuschauer verloren, die stark mit der PiS verbunden waren. Sie sind zu privaten Fernsehsendern gewechselt, die die Partei offen unterstützen.
Ich frage die Kollegen immer wieder, welche Veränderungen sie wahrnehmen. Sie sagen, dass sie nicht von ihren Chefs angerufen werden und ihnen gesagt wird, welche Fragen sie den Interviewpartnern stellen sollen und welche nicht. Das ist eine kopernikanische Wende und eine gute Nachricht.