Prof. Dr. Bernd Holznagel, seit 1997 Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Direktor der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM). Forschungstätigkeit u.a. im Bereich der Netzregulierung sowie im Telekommunikations- und Medienrecht.
Der Rundfunkbeitrag wird üblicherweise in einem dreistufigen Verfahren festgesetzt: durch die Bedarfsanmeldung, den Vorschlag der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) und durch die Festsetzung der Länder. Der Länderstaatsvertrag, in dem die Beitragserhöhung vorgesehen war, wurde von allen 16 Ministerpräsident*innen unterzeichnet. Jedoch gab es hierzu später nicht die notwendige Zustimmung des Landtags von Sachsen-Anhalt. Die Anpassung der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten zum 1. Januar 2021 fiel aus.
In seinem Beschluss vom Juli sah das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in dieser Unterlassung eine Pflichtverletzung, für eine funktionsgerechte Finanzierung der Anstalten zu sorgen. Um weitere erhebliche Beeinträchtigungen der Rundfunkfreiheit zu vermeiden, müsse der erhöhte Beitrag von 18,36 Euro bis zum Inkrafttreten einer staatsvertraglichen Neuregelung gelten. Für die Begründung ist maßgeblich, dass eine Beitragsfestsetzung frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen müsse.
Eine Abweichung vom KEF-Vorschlag sei daher nur ausnahmsweise zulässig (beispielsweise zur Verhinderung einer übermäßigen Belastung der privaten Haushalte) und müsse nachvollziehbar begründet werden. Wenn ein Land eine solche Abweichung für erforderlich halte, müsse es zudem ein Einvernehmen aller Länder herbeiführen. Denn die länderübergreifende Finanzierung des Rundfunks obliege im gegenwärtigen System den Ländern als föderale Verantwortungsgemeinschaft.
Das Vorbringen, Sachsen-Anhalt habe sich vergeblich um eine Struktur- und Auftragsreform der Anstalten bemüht, sei als Begründung nicht tragfähig. Zudem habe Sachsen-Anhalt für diese Argumente nicht die Unterstützung der anderen Länder gewinnen können. Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts sieht eine „Dilemma-Situation“, wenn die Länder nur gemeinsam abweichen dürfen, die Abgeordneten in den Parlamenten aber ihrem Gewissen unterworfen seien. Überzeugend ist dieses Argument indes nicht.
Die Finanzierungsgarantie der Anstalten resultiert aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit. Grundrechte binden aber die Gesetzgebung und die vollziehende Gewalt und damit auch den Ministerpräsidenten und die einzelnen Landtagsabgeordneten in Sachsen-Anhalt (Art. 1 Abs. 3 GG). Zudem bleibt es Sache der Länderparlamente, das geeignete und ihnen genehme Verfahren zur Beitragsfestsetzung auszuwählen. Sie können sich als Alternative zum gegenwärtigen Verfahren dazu entscheiden, dass der Beitrag zukünftig durch Mehrheitsentscheidung der Länder festgesetzt wird.
Darüber hinaus haben die Landesparlamente als Rundfunkgesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, die Struktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten und den Programmauftrag zu bestimmen, die die maßgeblichen Einflussgrößen für den Finanzbedarf sind. Dies bedeutet, dass sie Anstalten zusammenlegen oder auch die Liste der verpflichtend auszustrahlenden TV- und Hörfunkprogramme reduzieren können. Letzteres würde den Anstalten ein Mehr an Flexibilität einräumen, sodass sie unter anderem Mittel zugunsten von Online-Angeboten umschichten könnten. Dies würde es ihnen erleichtern, ihre in Zeiten von Filterblasen und Fake News gesteigerte Bedeutung als vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht effektiv wahrnehmen zu können.
Aus dem Magazin, Ausgabe Oktober 2021