Gastbeitrag von Sebastian Krumbiegel zu 30 Jahren DeutschlandradioDas Hohe Gut der Meinungsfreiheit

Unabhängiger, seriöser Journalismus ist ein maßgeblicher Teil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ein Plädoyer für die Verteidigung der freien Meinungsäußerung und für den kritischen Journalismus in Zeiten eines politischen Rechtsrucks – nicht nur in Ostdeutschland.

Sebastian Krumbiegel
Sebastian Krumbiegel, geboren und aufgewachsen in Leipzig, ist Sänger, Komponist, Synchronsprecher, Schauspieler und Aktivist. Er ist seit 1991 Sänger und Frontmann der deutschen Band DIE PRINZEN. Seit 1999 ist er auch als Solokünstler aktiv. Im März ist seine Autobiografie „Meine Stimme. Zwischen Haltung und Unterhaltung“ erschienen.

Als Leipziger, geboren 1966, kenne ich den Deutschlandfunk, seit ich denken kann. Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen ist die typische, knarzige Nachrichtensprecherstimme, die jeden Morgen aus dem plärrigen Küchenradio kam. Das war für uns normal, meine Eltern haben uns immer teilhaben lassen, auch an den politischen Diskussionen. Wie sehr so etwas prägt, kann ich heute sagen.
Vor allem der Deutschlandfunk hat mich täglich begleitet. Als die Mauer fiel, war er neben der Tagesschau unsere erste Adresse für Informationen. Während der Leipziger Montagsdemonstrationen im Herbst ‘89 haben wir uns anfänglich (als wir noch zu feige waren, selbst dabei zu sein) durch die Berichte im Deutschlandfunk auf dem Laufenden halten lassen. Das war etwas bizarr, weil wir sozusagen über den Umweg Köln das erfahren haben, was direkt vor unserer Haustür stattfand.
Als wir dann zwei Jahre später plötzlich als DIE PRINZEN Popstars wurden und aus jedem Radio sangen, habe ich das zwar genossen, konnte aber mit dem formatierten, kommerziellen Radio wenig anfangen. Ich habe heute vier Sender im Auto eingespeichert: Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur, Deutschlandfunk Nova und MDR Aktuell, auch wenn ich bei Letzterem immer weniger dabei bin, weil ich das Gefühl habe, dass die politische Situation im MDR-Gebiet auf die Berichterstattung abzufärben scheint. Vor allem all das, was gerade im Social-Media-Bereich auf uns einstürmt, lässt mich immer mehr darüber nachdenken, wie wichtig seriöser und unabhängiger Journalismus ist. Wenn ich mitbekomme, dass es immer mehr Menschen gibt, die auf die sogenannten „System-Medien“ schimpfen, auf die „links-grün versiffte Berichterstattung“, versuche ich immer wieder zu antworten: Wenn du mit „System“ die freiheitlich-demokratische Grundordnung meinst, dann sag mir doch bitte, was du stattdessen lieber hättest!
Natürlich gibt es auch in der Bundesrepublik Deutschland Korruption und Machtmissbrauch sowohl in der Politik als auch im „ganz normalen Leben“. Aber – und genau das ist ja der Punkt – guter Journalismus tritt auch dafür an, all diese Missstände zu kritisieren, und dafür sollten wir dankbar sein. „Eine Zensur findet nicht statt.“ Nicht nur für mich als Künstler ist das eine wichtige, eine zentrale Passage unseres Grundgesetzes. Jeder Mensch kann bei uns sagen, was er oder sie für richtig hält, solange wir nicht gegen Gesetze verstoßen. Den Holocaust zu leugnen oder andere Menschen herabzuwürdigen, ist bei uns strafbar, und das ist richtig so.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und damit das so bleibt, ist es richtig und wichtig, dass wir freie, kritische und vor allem seriöse Medien haben. Dass es zurzeit Bestrebungen gibt, daran zu rütteln und unser freiheitlich-demokratisches Wertesystem infrage zu stellen oder gar ganz abzuschaffen, sollte uns auf den Plan rufen. Ich bin jedenfalls angetreten, diese Dinge zu verteidigen, und die Programme von Deutschlandradio gehören an allererster Stelle dazu. Ohne gut bezahlten, seriösen, freien Journalismus würden wir irgendwann Verhältnisse haben, wie wir sie gerade aus Ländern wie Russland kennen. Alexej Nawalny hat den Kampf um freie Meinungsäußerung mit seinem Leben bezahlt, und viele namenlose Journalistinnen und Journalisten weltweit haben sein Schicksal geteilt. Diese mutigen Menschen haben für Dinge gekämpft, die uns selbstverständlich erscheinen. Lasst uns bitte gemeinsam dafür eintreten, dass wir uns das hohe Gut der Meinungsfreiheit erhalten. Danke, Deutschlandradio, dass es dich gibt!