Es war einer der lustigsten Momente der Oscar-Verleihung im März: Ken-Darsteller Ryan Gosling performt im Barbie-pinken Anzug seinen Filmsong „I‘m Just Ken“, diese wehmütig verwirrte Hymne des abgesetzten, unverstandenen Manns, der seine neue Rolle sucht – und dann steht plötzlich Slash neben ihm, Gitarrist von Guns N’ Roses, Hardrocker alter Prägung, spielt in schwarzem Leder und mit verspiegelter Sonnenbrille sein Solo und wirkt dabei aus der Zeit gefallen: Die Ära der selbstverliebt gniedelnden Gitarrenhelden mit ihren breitbeinigen Posen, sie war vorvorgestern. Was hat das alles zu bedeuten?
Männlichkeit und wie man sie definiert ist seit Langem Thema in der populären Musik. Und natürlich gab es immer alles gleichzeitig: In den 80er-Jahren, als blondierte Glam-Metal-Stars noch mit einem Stiefel auf der Monitorbox grinsend von „Girls, Girls, Girls“ sangen, beklagte Robert Smith von The Cure in „Boys Don’t Cry“ mit verschmiertem Lippenstift, dass Männer nicht weinen dürften, und Prince spielte bauchnabelfrei oder bestrapst mit sexuellen Identitäten. Im Jahrzehnt davor, als Led Zeppelin in extra engen Jeans ihren maskulinen Hedonismus feierten, führte David Bowie jungen Fans vor, wie man aus dem Gefängnis hergebrachter Rollengesetze ausbricht und dass die Grenzen der erotischen Orientierung durchlässig sind. Bowie war der große Befreier – und schlief jenseits der Bühne mit minderjährigen Groupies. Im Vokabular von heute: Genderfluidität und toxische Männlichkeit schienen sich nicht auszuschließen, damals jedenfalls. Später, in den 90er-Jahren, stellte sich Kurt Cobain im geblümten Kleidchen auf die Bühne und bewies in Wort und Tat, dass aggressiv verzerrte Gitarrenklänge und Feminismus problemlos zusammenpassen.
Und heute? Heute haben wir Harry Styles mit lackierten Fingernägeln und Federboa um den Hals, der freundliche Popsongs singt und sicher keiner Fliege etwas zuleide tun würde, schon gar nicht einer Frau. Daneben Rammstein: Phalluskanone auf der Bühne, Gewalt in den Texten und allerlei abstoßende Geschichten aus dem Backstage-Bereich, als hätte sich doch nicht viel geändert.
Gibt es eine neue Männlichkeit im immer noch stark von Männern dominierten Pop? Ist Platz für Selbstzweifel und Selbstkritik, werden alte Muster durchbrochen? Sind die „Männer“ von Herbert Grönemeyer („weinen heimlich“, „baggern wie blöde“, „geben Geborgenheit“) überholt? Ist die „Zukunft Pink“ (Peter Fox)?
In der Sendung „Corso Spezial“ sprechen wir mit dem Berliner Musiker Jens Friebe („Call Me Queer“) und dem jungen westfälischen Indie-Duo Ottolien („Meerjungfrau*mann“) über ihr musikalisches Mannsein: Wie sahen sie sich als Popmusiker mit ihrem Verständnis von Männlichkeit konfrontiert? Welche Rollenmuster beobachten sie? Wie sind sie selbst als Männer, wie wollen sie sein, was wollen sie darstellen?
SENDEHINWEIS
Do., 9.5., 15.05 Uhr
Corso Spezial
Neue Männlichkeit im Pop
Do., 9.5., 15.05 Uhr
Corso Spezial
Neue Männlichkeit im Pop