Gisela SteinhauerStimmen-Junkie oder: Zuhören als Leidenschaft

Portrait von Gisela Steinhauer, freie Moderatorin im Deutschlandfunk Kultur
Gisela Steinhauer (privat)
STECKBRIEF
Name: Gisela Steinhauer
Position: Freie Moderatorin, „Im Gespräch“, Deutschlandfunk Kultur
Lieblingssendung: Im Gespräch, Mo. – Sa., 9.05 Uhr
Sonntagsspaziergang, So., 11.30 Uhr
„Du kannst aufhören“, sagte Renate Schönfelder aus der Regie. „Das reicht.“ Dabei war gerade erst ein Drittel der Probesendung vorbei. „Mist!“, dachte ich. „Durchgefallen.“ Eine halbe Stunde später begleitete mich Renate Schönfelder durch das Funkhauslabyrinth von Deutschlandfunk Kultur in Berlin und stellte mich dem Team der Sendung „HörenSagen – Im Gespräch“ vor, für die ich gerade das Moderationscasting bestanden hatte.
Ungewöhnliches erfahren
22 Jahre und viele Interviews sind seitdem vergangen, der Sendetitel hat sich zu „Im Gespräch“ verknappt, die Sendelänge ist geblieben. Von den Kollegen (Ost) habe ich gelernt, wie man zur Improvisationskünstlerin werden kann, und von den Kolleginnen (West), dass Humor sehr dabei hilft, auch noch dem abgedrehtesten Sonderling mit großer Offenheit zu begegnen. Das ging so weit, dass ich vor Kurzem ein Buch über „schräge Vögel“ schreiben konnte. Sie alle waren meine Interviewgäste, sowohl beim WDR als auch bei Deutschlandradio, und bei den meisten war ich vor dem Gespräch davon überzeugt, dass sie eine Meise haben: ein U-Boot-Kommandant, der zum Schamanen wurde; ein Schreiner aus Bochum-Stiepel, der für seine Verdienste um das Land Papua-Neuguinea zum Ritter geschlagen wurde und fortan „Sir Hugo“ hieß; Kryoniker, die sich nach ihrem Tod einfrieren lassen, in der festen Überzeugung, dass sie irgendwann aufgetaut werden können und in einer besseren Welt weiterleben. Alles Spinner? Vielleicht auf den ersten Blick. Aber gerade die Gespräche bei Deutschlandfunk Kultur zeichnet aus, dass dort auch „schräge Vögel“ befragt und gehört werden.
Beruf mit kleinem Risiko
Die Leidenschaft fürs Zuhören hat mich schon früh gepackt. Ich konnte noch lange nicht lesen, da war ich schon in der Lage, den Arm unseres kleinen grauen Plattenspielers zu bedienen und mir mithilfe des Schauspielers Hans Paetsch Märchen wie „Der kleine Muck“ oder „Kalif Storch“ ins Kinderzimmer zu holen. So bin ich zum Stimmen-Junkie geworden und ziehe jede Radiosendung dem Fernsehbild vor. Stimmen verraten so viel, aber manchmal täuschen sie uns auch und wir müssen unsere Vorstellung von den Menschen, zu denen sie gehören, im Laufe eines Gesprächs revidieren. – Stimmen zu hören ist mein Beruf geworden. Mit dem Risiko, dass, wer „Stimmen hört“, selbst eine Meise haben könnte. Danke, Renate!