Katrin MaternaDie Lebenswirklichkeit anderer erfassen

Das erste Mal ans Mikrofon durfte ich im August 2002 beim Tschechischen Rundfunk in Prag. Ich hatte dort gerade mein Redaktionspraktikum begonnen, als Moldau und Elbe nach andauernden Regenfällen bedrohlich anschwollen und schließlich über die Ufer traten...

Portrait von Katrin Materna, Redakteurin Zeitgeschehen, Deutschlandfunk Kultur
Katrin Materna, Redakteurin Zeitgeschehen, Deutschlandfunk Kultur (privat)
STECKBRIEF
Name: Katrin Materna, Berlin
Position: Redakteurin Zeitgeschehen, Deutschlandfunk Kultur
Lieblingssendungen:
Die Reportage So., 12.30 Uhr
Studio 9 Mo.–Fr., 5.05/12.05/17.05 Uhr
Sa., 6.05/12.05/17.05 Uhr
So., 12.05/17.05 Uhr
Das erste Mal ans Mikrofon durfte ich im August 2002 beim Tschechischen Rundfunk in Prag. Ich hatte dort gerade mein Redaktionspraktikum begonnen, als Moldau und Elbe nach andauernden Regenfällen bedrohlich anschwollen und schließlich über die Ufer traten. Das sogenannte Jahrhundert- Hochwasser trieb Tausende aus ihren Wohnungen, verschluckte ganze Gemeinden, zerstörte Häuser, Metrostationen, Existenzen, riss Menschen aus dem Leben. – Seebär Gaston entkam aus dem überfluteten Prager Zoo, schwamm von Prag über Dresden bis nach Wittenberg.

Grenzen überwinden

In Tschechien wurde er zu einer Art Symbol dieser Flutkatastrophe, die beide Länder mit aller Wucht traf. – Als ich später als freie Autorin manches Mal von Redaktionen gefragt wurde, warum eine Geschichte, die ich aus Tschechien oder anderen Ländern anbot, hierzulande jemanden interessieren sollte, dachte ich oft: Weil es nicht nur die Naturkatastrophen sind, die keine Staatsgrenzen kennen. Als Kind sogenannter Republikflüchtlinge aus der ehemaligen Tschechoslowakei bin ich ganz selbstverständlich mit zwei Sprachen, zwei Kulturen und zwei Mentalitäten aufgewachsen. Wenn ich in Tschechien war, versuchte ich, Vorurteile gegenüber „den Deutschen“ geradezurücken. In Deutschland wiederum lag mir viel daran, mein Umfeld wenigstens mit Basisfakten über mein Geburtsland zu konfrontieren. Ich habe früh erlebt, dass es wichtig ist, Brücken zu bauen, weil oft selbst Nachbarn die Sprache des anderen nicht verstehen oder schlicht zu wenig voneinander wissen. In meiner journalistischen Arbeit hat es mich auch deshalb immer wieder ins Ausland gezogen, vor allem nach Osteuropa. Nach vielen Jahren als freie Reporterin und Autorin habe ich zuletzt beim MDR Langformate betreut, bevor ich im vergangenen Dezember zum Deutschlandradio gewechselt bin.

Abgucken erlaubt

Als Redakteurin der Sendung „Weltzeit“ kann ich auch mal in Regionen schauen, die nicht ständig Gehör finden, und Themen im Ausland angehen, die mehr Kontext brauchen, um bestimmte Ereignisse und Entwicklungen besser zu begreifen und die Lebenswirklichkeit der Menschen zu erfassen. Die Gestaltung der Sendung „Die Reportage“ ermöglicht es mir, einzelne Protagonist*innen und deren Perspektiven noch näher kennenzulernen, mit all den Herausforderungen, die sie bewältigen müssen. Ich erlebe mit, was sie bewegt und antreibt, wie sie so manche Schwierigkeit am Ende meistern. Oft kann man sich dabei sogar etwas abgucken. Für mich ist das eine große Bereicherung.