Katrin MichaelsenAnderen Perspektiven Raum geben

KATRIN MICHAELSEN, Redakteurin Europa- und AuÃenpolitikAbteilung Hintergrund, Funkhaus Köln, 08.04.2022
KATRIN MICHAELSEN, Redakteurin Europa- und AuÃenpolitikAbteilung Hintergrund, Funkhaus Köln, 08.04.2022 (Bettina Fuerst-Fastre)
STECKBRIEF
Name: Katrin Michaelsen, Köln
Position: Redakteurin und Moderatorin, Redaktion Außen- und Europapolitik
Lieblingssendung: Europa heute, Mo. – Fr., 9.10 Uhr
„Das war's?“ Ich war maßlos enttäuscht. Mein Vater fuhr mit unserem weißen Ford Taunus im Schritttempo über die deutsch-dänische Grenze. Einfach so. Keine Barrikaden, keine Grenzkontrollen weit und breit. Meinen ersten Grenzübertritt hatte ich mir als zehnjährige Bremerin in den 1970er-Jahren anders ausgemalt. Mit einem gewissen Nervenkitzel, auf jeden Fall nicht so unspektakulär.
Europa nach dem Mauerfall
Was Grenzzäune anrichten können, wurde mir später in Berlin während meines Studiums klarer. Das war kurz nach dem Fall der Mauer, und es war eine Zeit, in der Lebensgeschichten urplötzlich eine andere Wendung nehmen konnten, sowohl im Westen als auch im Osten der Stadt. Auch mir erging es nicht anders. Statt nach dem Psychologie-Studium als Mediatorin zu arbeiten, landete ich mehr oder weniger per Zufall beim Inforadio des rbb, damals noch SFB. Der Mauerfall hat Europa verändert. Die politische Dynamik eines zusammenwachsenden Kontinents habe ich in den folgenden Jahren als Autorin, Moderatorin und Redakteurin bei verschiedenen öffentlich- rechtlichen Sendern begleitet. Den Deutschlandfunk kannte ich vor allem als treue Hörerin von „Europa heute“. Als ein Anruf aus der Redaktion kam mit dem Angebot, einzusteigen, habe ich keine Sekunde lang gezögert.
Die Spielregeln ändern sich
Inzwischen sind die Sendungen „Europa heute“ und „Gesichter Europas“ meine berufliche Heimat als Redakteurin und Moderatorin geworden. Wie organisiert Österreich die Pflege? Wie sieht es hinter den Kulissen des Europäischen Parlaments aus? Warum wollten so viele Menschen in Großbritannien die Europäische Union verlassen? Und wieso gibt es in Tschechien so viele Computerspiele-Entwickler? Aus anderen europäischen Ländern erfahren, was hinter einem Ereignis steht, und anderen Perspektiven Raum geben, das ist mein Berufsalltag. Zu erklären, warum sich Sichtweisen unterscheiden, je nach Herkunft und Geschichte. Das ist manchmal herausfordernd, aber immer wieder überraschend. Dass der Brexit tatsächlich europäische Realität geworden ist, hätte ich mir im Leben nicht vorstellen können. Auch nicht, dass sich die Spielregeln an den Grenzen Europas einmal ändern werden, wie während der Corona-Pandemie, als Schlagbäume und Kontrollen den freien Grenzverkehr zum Erliegen brachten. Und noch unvorstellbarer: dass russische Panzer über die ukrainische Grenze rollen.