Carsten HueckRadio an und Bühne frei für die Literatur

Carsten Hueck, freier Redakteur und Moderator, Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur
Carsten Hueck (Nicola Rössert)
Steckbrief
Name: Carsten Hueck, Köln
Position: freier Redakteur „Lesart“, Deutschlandfunk Kultur; freier Redakteur und Moderator „Büchermarkt“, Deutschlandfunk
Lieblingssendungen/-Podcasts:
Lesart - Das politische Buch
Sa., 11.05 Uhr
Lesezeit
Mi., 20.30 Uhr
Zwischentöne
So., 13.30 Uhr
Am Anfang war das Lesen. Als Kind verschlang ich alles, was ich kriegen konnte. Lesen dehnte die Zeit. Dann kam das Hören. Auf einem kleinen tragbaren Plattenspieler. Der Lautsprecher war im Deckel integriert, der Plattenteller sah aus wie ein roter Gummipfannkuchen. Micky-Maus-Geschichten und Karl-May-Hörspiele auf Single – das große Ohrenkino meiner Kindheit.

Aufregung bei der ersten Regie

Die akustische Welt von Pink Floyds „The Dark Side Of The Moon“ war für den gerade Elfjährigen dann der Quantensprung in die 1970er-Jahre. Aus dem Radio schnitt ich mithilfe eines Kassettenrekorders meine Lieblingssongs zur persönlichen Playlist zusammen. Und eine Zeit lang lauschte ich jede Woche Dr. Erwin Marcus, der 29 Jahre lang als Lebensberater für den NDR auf Sendung ging. Faszinierend waren gar nicht die Lösungen der Probleme, die er in seiner Call-in-Sendung anbot, sondern die Probleme selbst: Wie versteckt man ein Pony, das schon gekauft ist, aber zu Weihnachten erst verschenkt werden soll? Die Liebe zur Literatur und zum gesprochenen Wort brachte mich nach dem Abitur erst einmal zum Theater. Und das Theater ließ mich auch bei Deutschlandradio nicht los. Als im Kleist-Jahr „Die Marquise von O ...“ gelesen werden sollte, schlug ich leichthin Peter Stein, den legendären Regisseur, als Sprecher vor. Als der tatsächlich zusagte, verdonnerte mich der damalige Hauptabteilungsleiter dazu, die Regie zu übernehmen – selten war ich im Studio so aufgeregt.

Bücher und Autorenschaft

Eigentlich bin ich über das Rezensieren von Büchern zu Deutschlandradio gekommen. Im Berliner Funkhaus gefielen mir das Klima, der Umgang miteinander, die Ernsthaftigkeit der Arbeit. Der Respekt vor unterschiedlichen Meinungen. Die Offenheit und „Betriebstemperatur“. Und als die Sendung „Lesart“ erfunden wurde, war ich sicher: Das ist genau der richtige Platz für mich. Hier geht es um Literatur in jeder Form – Gespräche, Berichte, aktuelle Bezüge und Hintergrundinformationen. Es gibt LiteraturFeatures, in denen man Themen vertiefen kann oder Schriftstellern und Schriftstellerinnen im Gespräch nahekommt. Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller verriet mir zum Beispiel, wo sie ihre Marzipankartoffeln kauft.
Beglückend reichhaltig ist auch das Kölner Literaturprogramm. Beim „Buch der Woche“ geht es 20 Minuten allein um ein Buch. Eine Seltenheit. Herrlich! Das „Lyrikgespräch“, immer wieder mit Entdeckungen, macht Lust auf Dichtung. Oder die „Lesezeit“- Autoren und - Autorinnen lesen selbst, mitunter verfassen sie Texte exklusiv für dieses Programm. So sammeln sich auch Schätze im Archiv an. Das ist Radio – nicht nur Live-Erlebnis und Ort aktueller Diskussion, sondern ebenso Gedächtnisspeicher. Mit dem Team der „Lesart“ kann ich Themen setzen, Fragen stellen, vermitteln. Wenn ich den „Büchermarkt“ moderiere und das Rotlicht im Studio angeht, fühlt es sich für mich an, als ginge der Vorhang im Theater hoch. Ich sehe das Publikum nicht. Aber ich weiß, es ist da.